Mittwoch, 13. Juni 2012

Landgericht Augsburg (Az. 4 S 1655/08): Fiktive Schadensberechnung entsprechend Gutachten zu Preisen der markengebundenen Werksatt zulässig

Das Landgericht Augsburg hat sich mit Endurteil vom 04.11.2008 (4 S 1655/08) der in den Instanzgerichten umstrittenen Frage der Rechtsmeinung angeschlossen, dass auch ein technisch ordnungsgemäßes Reparaturergebnis in einer markenungebundenen Werkstatt nicht wirtschaftlich gleichwertig ist mit einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt (so u. a. auch KG Berlin vom 30.06.2008, NJW 2008, 2657; Hinweis OLG München vom 28.02.2008 -24 U 616/07-).

 

Aus den Gründen:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angegriffene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die Berufungskammer legt ihrem Urteil die tatsächlichen Feststellungen des Ersturteils, nämlich des Amtsgerichtes Landsberg/ Lech vom 09.04.2008 (1 C 117/08 AG Landsberg) zu Grunde. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen begründen würden. Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts wurden auch nicht in der Berufung angegriffen. Die von dem Erstgericht vorgenommene rechtliche Würdigung des von ihm ordnungsgemäß festgestellten Sachverhaltes ist zutreffend.

Das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von weiteren 319,76 € für die Reparatur seines Fahrzeuges zustehen. Die Beklagte macht mit der Berufung ausschließlich geltend, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Kläger seine Reparaturkosten gemäß dem vorgerichtlich eingeholten Gutachten vom 14.11.2007 abrechnen könne, bei dem Grundlage der Reparaturkalkulation der Verrechnungssatz einer markengebundenen Werkstatt war. Dies sei rechtsfehlerhaft, da die Beklagte dem Kläger konkrete preiswertere Reparaturmöglichkeiten nachgewiesen habe, die zu einer technisch gleichwertigen Reparatur führten.

Die Berechnung nach dem so genannten HP Claim Controlling System vom 05.12.2007 habe ergeben, dass die Reparaturkosten fiktiv statt 1.877,31 € nur 1.562,65. € betrügen. Die Beklagte habe den Kläger auf Eurogarant-, ZKF-, Europ Assistance- und Motorcare-Fachwerkstätten verwiesen, welche höchsten Qualitätsanforderungen unterlägen, kostenfreien Hol- und Bringservice zum Wohnsitz gewährleisteten, eine dreijährige Garantie auf alle ausgeführten Arbeiten und den Eintritt in die Herstellergarantie gewährten.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2003 (NJW 2003, 2086) entschieden, dass der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des von dem Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist (sog. Porsche-Urteil).

Der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertigere Reparaturmöglichkeit habe, müsse sich jedoch auf diese verweisen lassen. Voraussetzung hierfür ist nach der Entscheidung des BGH jedoch, dass konkret dargestellt wird, dass eine solche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit besteht.

Dass die seitens der Beklagten und Berufungsklägerin genannten Fachbetriebe die Instandsetzung gleich einer markengebundenen Fachwerkstätte vornehmen können, wurde seitens des Klägers bestritten. Eine Beweiserhebung über diese Frage war jedoch entbehrlich, da, selbst dann, wenn der Vortrag der Beklagten zutreffend sein sollte, der Kläger im Rahmen seiner schadensrechtlichen Dispositionsfreiheit einen Anspruch auf Ersatz der fiktiven Kosten für die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt hätte.

Die Berufungskammer schließt sich in dieser bei den Instanzgerichten umstrittenen Frage der Rechtsmeinung an, dass auch ein technisch ordnungsgemäßes Reparaturergebnis in einer markenungebundenen Werkstatt nicht wirtschaftlich gleichwertig ist mit einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt (so u. a. auch KG Berlin vom 30.06.2008, NJW 2008, 2657; Hinweis OLG München vom 28.02.2008 -24 U 616/07-).

Ein Kläger handelt nicht wirtschaftlich unvernünftig, wenn er eine Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt verlangt und eine ebensolche Reparatur in einer markenungebundenen Werkstatt ablehnt. Vielmehr hält er sich mit seiner Entscheidung in dem vom Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 BGB gesetzten Rahmen, weil jedenfalls eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeiten im schadensrechtlichen Sinne nicht vorliegt.

Auch bei gleicher Qualität der technischen Ausführung honoriert es der Markt, dass Wartungs- und/oder Reparaturarbeiten an einem Fahrzeug gerade von einer markengebundenen Vertragswerkstatt und nicht von einer freien Fachwerkstatt durchgeführt werden. Dem Arbeitsergebnis einer Markenwerkstatt kommt neben dem technischen Aspekt noch ein weiterer wertbildender Faktor hinzu. Der Kunde -sei es der Reparaturkunde, sei es der potentieller Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt- verbindet mit dem Besuch von Markenvertragswerkstätten eine über den technischen Zustand hinausgehende besondere Werthaltigkeit. Deshalb setzen sich die Markenwerkstätten trotz der im Allgemeinen höheren Reparaturpreise nicht nur als bloße Ausnahmeerscheinung auf dem freien Markt durch. Markenqualität ist mehr als nur die Einhaltung technischen Standards.

Sie bedeute im Allgemeinen nicht nur technische Qualität, sondern insbesondere auch Vertrauen und Seriosität. Dies nimmt unmittelbar Einfluss auf die Preisbildung. Nicht umsonst wird im Vergleich für ein „scheckheftgepflegtes“ Fahrzeug ein höherer Verkaufserlös erzielt.

Gleiches gilt für Fahrzeuge nach unfallbedingten Instandsetzungsarbeiten oder sonstigen Reparaturen, die von Vertragswerkstätten ausgeführt werden. Diese am Markt spürbaren wertbildenden Faktoren beruhen auf der Nähe der Vertragswerkstätten zum Hersteller und der Spezialisierung auf nur eine bestimmte Fahrzeugmarke. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Schaden an dem klägerischen Fahrzeug vorliegend ein reiner Karosserieschaden war, da auch für diese Reparatur die vorgenannten Überlegungen gelten.

Auch ist der Kläger nicht gehalten, nachzuweisen, dass er alle Inspektionen und Reparaturen in einer markengebundenen Werkstatt hat durchführen lassen. Hierzu wurde von dem BGH bereits in der Entscheidung vom 18.03.2003 ausgeführt, dass das „Vorleben“ des Pkw in wartungstechnischer Hinsicht auch bei einem älteren Fahrzeug keine Rolle spielt.

Es bleibt somit bei dem von dem BGH in seiner Entscheidung vom 29.04.2003 aufgestellten Grundsatz, dass der Geschädigte auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens den Schaden berechnen kann. Gravierende Mängel des Gutachtens wurden seitens der Beklagten nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Die Berufung war kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.